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Der Perspektivausschuss und die VIII. Tagung der 23. Landessynode oder "Der steinige Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt

Am 30. Juni war es denn soweit. Der Vorsitzende des Perspektivausschusses Bade brachte den Bericht "Zukunft gestalten - Perspektiven und Prioritäten für das Handeln der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers" in die Synode ein. Gut, dass er durch so genannte "undichte Stellen" schon vorher in die Öffentlichkeit gelangt war. Kaum einer der zahlreichen Zuhörer wäre ansonsten in der Lage gewesen, der zwangsweise verkürzten und zusammenfassenden Darstellung zu folgen. Auch fragte man sich: Warum durften die Ergebnisse des Perspektivausschusses nicht vorher bekannt werden? Immerhin, es gibt vieles, was Grundstrukturen unserer Landeskirche in Frage stellt. Es gibt auch einiges, was wir aus Mitarbeitersicht nicht als förderlich für die kirchliche Entwicklung betrachten werden. In mancher Hinsicht ist man zu kurz gesprungen. Trotzdem: Eine Revolution stellt das Papier nicht dar. Geheimniskrämerei mag manches radikaler erscheinen lassen, die inhaltliche Auseinandersetzung ist allerdings wichtiger. Besonders wichtig wird für die Arbeitnehmerseite sein, dass alle geplanten Strukturveränderungen und der geplante Personalabbau sozialverträglich durchgeführt werden. Und dass engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in Zukunft ein vernünftiges Auskommen mit ihrem Einkommen haben werden.

Um einen ausgeglichenen Haushalt bis 2010 geht es. Und um eine zukunftsfähige Umgestaltung unserer Kirche bis ins Jahr 2020 hinein. Von Anfang an wurde klar, hier haben beide Synodalgruppen und auch das Landeskirchenamt Hand in Hand an einem Strang gezogen. Die Vorsitzenden der beiden Synodalgruppen Jörn Surborg (Gruppe Offene Kirche) und Michael Thiel (Lebendige Volkskirche) stellten im Anschluss an die Einbringung klar, dass es sich trotz harter Diskussionen und unterschiedlicher Auffassungen in dem einen oder anderen Punkt, bei dem Papier um ein einstimmiges Ergebnis des gesamten Ausschusses handelt. Da wollte auch das Landeskirchenamt nicht nachstehen. Der Präsident des LKA Dr. Eckhart von Viettinghof betonte in der nachmittäglichen Aussprache über das Papier, dass der Vorschlag, auch den Personalbestand des Landeskirchenamtes bis 2020 um 1/3 zu kürzen, von ihm persönlich stamme. Und auch die sich an die Einbringung des Papiers anschließende Haushaltsrede des Vizepräsidenten Dr. Krämer schien haarklein abgestimmt zu sein auf die Sparvorschläge. Er betonte die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Strukturveränderungen und Kürzungen. Die Eckdaten der Finanzentwicklungsberechnung waren den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen angepasst worden (wirklich nur den Verhältnissen?). Heraus kam, was herauskommen sollte: Bei Umsetzung sämtlicher Einspar- und Veränderungsvorschläge konsolidiert sich der Haushalt 2010 beinahe. Aber nur wenn die kirchlichen Beschäftigten auf Dauer auf die Sonderzahlungen verzichten, ist nach der Darstellung des Landeskirchenamtes ein ausgeglichener Haushalt zu erreichen. "Ausgeglichener Haushalt" heißt in diesem Fall allerdings: Die Zinsgewinne werden zum Haushaltsausgleich nicht benötigt und fließen zur Erhöhung der Rücklagen voll in diese zurück.

Am Nachmittag wurde es doch noch etwas interessanter. In der Aussprache kamen auch konträre Meinungen zu Wort. Einige nicht ganz so ernst zu nehmende, wie der Antrag, den Urheber für die frühzeitige Weitergabe des Papiers ausfindig zu machen (er stieß auf viel Unverständnis), aber auch die mehrfache deutliche Aussage einiger Synodaler, dass es ihrer Meinung nach nicht gelingen könne, die Sparanstrengungen bis zum Jahr 2010 auf sozialverträgliche Weise umzusetzen. Dabei durfte natürlich auch die Forderung nicht fehlen, bei den MAV´en noch deutlich mehr einzusparen, als im Papier des Perspektivausschusses eh schon vorgesehen, möglichst durch deutliche Beschneidung des Freistellungsumfangs. Auch wurde die Forderung vorgebracht, das Dienstrecht zu überprüfen (leichtere Versetzbarkeit?), um die Problematik unkündbarer Mitarbeiter zu bewältigen. Insgesamt wurde aber klar, dass alle anwesenden Seiten gewillt sind, dass Konzept in seiner ganzen Breite so durchzusetzen, wie vorgeschlagen. Dies schließt natürlich Veränderungsmöglichkeiten in Einzelfällen ein. Dabei muss aber die Gesamteinsparung erhalten bleiben. Unsere Landesbischöfin sprach davon, dass aufgrund der notwendigen Veränderungen nun Trauerarbeit geleistet werden müsse. Da auch ganz deutlich die Forderung nach einem eigenen tariflichen Regelungswerk unter Ablösung vom öffentlichen Dienst erhoben wurde, wird es wohl eher darauf ankommen, ein Klima der sozialen Kälte für die Zukunft zu verhindern.

Welches sind die zentralen Leitgedanken des Perspektivausschusses?
Um zu überprüfen, in welchen Bereichen besonders stark gekürzt, welche Bereiche auf alle Fälle erhalten bleiben sollen, hat der Perspektivausschuss zur Maxime erhoben: "Jede kirchliche Aufgabe ist mit der radikalen Frage zu konfrontieren, was der Landeskirche fehlen würde, wenn es sie nicht mehr gäbe".
Dabei war dem Ausschuss besonders wichtig, dass alle Angebote und Einrichtungen in Zukunft ein deutliches evangelisches Profil zeigen müssen. Ist dieses nicht möglich, spricht auch nichts für den Erhalt des Angebotes.
Um Einspar- und Synergieeffekte zu erzielen, fordert der Perspektivausschuss eine stärkere Kooperation in Gemeinden und der Region, hält aber das Vorhalten einer stabilen Infrastruktur weiterhin für unumgänglich, um einen Handlungsspielraum zu behalten.
Aufgrund der Finanzprognose unserer Landeskirche hält der Ausschuss eine deutliche Senkung der Personalkosten für unumgänglich. Neben den Personalkosten ist seiner Meinung nach allerdings auch eine deutliche Senkung der Gebäude- und Verwaltungskosten, insbesondere mit Hilfe eines intelligenten Gebäudemanagements notwendig.
Erstmals wird die Frage der strikten Trennung gleicher Aufgabengebiete in den konföderierten Kirchen angesprochen. In der Aussprache wurde von einigen Synodalen sogar deutlich das Ziel eines späteren Zusammengehens erwogen.

Hier eine sehr verkürzte Zusammenfassung, welche konkreten Empfehlungen der Perspektivausschuss macht:

  • Der Gesamtpersonalbestand (ohne Pastoren) soll bis 2020 um mindestens ein Drittel reduziert werden.
  • Es soll ein eigenes Tarifsystem entwickelt werden.
  • Diakonenstellen sollen proportional gekürzt werden (bis 2010 um 15 %).
  • MAV-Arbeit und -Freistellung soll proportional mit dem Mitarbeiterrückgang gekürzt werden (bis 2010 um 15 %).
  • Pastorenstellen der Landeskirche sollen insgesamt überproportional gekürzt werden, Schulpastorenstellen bis 2010 allerdings unterproportional um 10 %, danach in Relation zur Schülerentwicklung. Krankenhausseelsorge bis 2010 um 15 %, bis 2020 um weitere 25 %.
  • Pastoren auf Gemeindeebene sollen in beiden Planungszeiträumen unterproportional um jeweils höchstens 10 % gekürzt werden.
  • Reduzierung des Stellenbestandes im LKA um 1/3 bis 2020, dabei bis 2010 schon um mindestens 15 %.
  • Die Geschäftsstelle des Diakonischen Werkes soll bis 2020 überproportional bis 2020 um 40 % gekürzt werden.

bis 2010 zu erbringen:

  • Mittelverstärkung um 10 % bei Diakonie-Intertat
  • Fachberatung Kindertagesstätten unterproportionale Kürzung um 10 %
  • Fachschulen Sozialpädagogik 50 % Kürzung
  • Krankenpflege- und Sozialstationen völlige Streichung der landeskirchlichen Zuschüsse, nur noch Förderung innovativer Projekte (Kürzung 70 %)
  • 100 % Kürzung bei Zuweisungen an Altenheime, diakonische Krankenhäuser, Behinderteneinrichtungen
  • Beratungsstellen sollen möglichst zusammengelegt werden. Bis 2010 Kürzung von 15 %, bis 2020 Kürzung um weitere 20 %.
  • Kürzung des Zuschusses an Kindertagesstätten bis 2010 um 25 %, danach in Relation zum Kinderrückgang. Übertragung der Trägerschaft auf die Kirchenkreise. Schließung von Einrichtungen, wo evangelisches Profil nicht gewahrt werden kann.
  • Prozess der Regionalisierung und verbindlichen arbeitsteiligen Zusammenarbeit intensivieren.
  • Im Kirchenkreis (KK) Aufgabenübertragung und Budgetierung konsequent vorantreiben. Neuordnung der KK inklusive Zusammenlegung prüfen.
  • Kirchenkreisämter sollen für mehrere KK zuständig sein. Bis 2020 Reduzierung der Ämter von 42 auf 20. Zentralisierung einzelner Aufgabenbereiche.
  • Wegfall von 2 Sprengeln bis 2010.
  • Reduzierung der Landessynode von 98 auf 75 Mitglieder, der Ausschüsse um 1/3, Begrenzung der Sitzungstage auf 5 pro Jahr.
  • Prüfung der Verfassungsstruktur der Landeskirche.
  • Erhaltung des HKD, aber Kürzung bis 2020 um 40 %, dabei besondere Überprüfung der Bereiche KDA, Aussiedlerarbeit und Frauenwerk.
  • Bis 2010 Schließung eines der beiden Predigerseminare, des Ev. Studienhauses am Kreuzberg in Göttingen, der Studentenwohnheime in Clausthal-Zellerfeld und Hildesheim, Reduzierung der Studentenpfarrstellen in Göttingen, Hannover, Osnabrück auf je 0,5 Stellen, in Clausthal-Zellerfeld, Hildesheim, Lüneburg auf je 0,25 Stellen.
  • Aufgabe der Theologenausbildung in Hermannsburg und Hildesheim
  • Schnellstmögliche Überführung der Ev. Fachhochschule in andere Trägerschaft. Bis 2010 35 % Mittelkürzung.
  • Schließung des Lutherheimes in Springe und des Lutherstiftes in Falkenburg.
  • Entlassung der Heimvolkshochschulen Bad Bederkesa, Hermannsburg, Loccum, Potshausen und Stephanstift Hannover in die Selbstständigkeit.
  • Schließung des Internats der Paul-Gerhardt-Schule

Die Mitarbeiter in den von Schließung bedrohten Einrichtungen sind nun besonders betroffen. Allerdings ist auch der Gesamtausschuss der Meinung, dass das Kürzungsprinzip nach der Rasenmähermethode über kurz oder lang zur Arbeits- und Gestaltungsunfähigkeit führen wird. Unsere Hauptkritikpunkte richten sich gegen den konsequenten Ausschluss der Mitarbeiterseite bei der Entwicklung der Einspar- und Veränderungsvorschläge. Ein Antrag des Gesamtausschusses auf Beteiligung am Verfahren wurde kurz und schmerzlos abgeschmettert. Man wollte lieber unter sich bleiben. Auch die Aussage, dass die Umsetzung des Sparpapiers bis 2010 nicht sozialverträglich umgesetzt werden kann, darf so nicht stehen bleiben. Der Ruf der Landesbischöfin nach notwendiger Trauerarbeit wirkt geradezu sarkastisch, wenn gleichzeitig gedanklich schon eine ganze Reihe betriebsbedingter Kündigungen ausgesprochen werden. Hier wird eine der wichtigen Aufgaben der MAV´en in der Zukunft liegen, solches zu verhindern. Der Gesamtausschuss wird auf landeskirchlicher Ebene seinen Teil dazu beitragen, Strategien zu entwickeln, die sozialverträgliche Lösungen ermöglichen. Ein weiterer Streitpunkt wird die geplante Abkopplung vom öffentlichen Dienst mit einem eigenständigen Tarifwerk sein. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um zu vermuten, dass dies mit einer deutlichen Absenkung des Gehaltsniveaus verbunden sein wird. Ob die Gewerkschaft ver.di allein die Stärke haben wird, solches zu verhindern, wird sich zeigen. Die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission wird aber über ein kircheneigenes Tarifwerk mit zu entscheiden haben. Dabei wird es auf die Stärke der Arbeitnehmerseite ankommen.

Siegfried Wulf

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