Sehr geehrter Herr Massow,
wunschgemäß nehme ich zu der Frage Stellung, welche Folgen ein möglicher Rücktritt der Mitglieder des Schlichtungsausschusses gem. § 28 Mitarbeitergesetz im Hinblick auf eine mögliche Beschlussfassung der Schlichtungskommission hätte.
Die Schlichtungskommission besteht aus je 4 Beisitzern, die jeweils auf Vorschlag der Dienstnehmer- bzw. Dienstgeberseite vom Rat berufen werden sowie einem Vorsitzenden, der auf Vorschlag der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission vom Rat berufen wird.
Zuständig ist die Schlichtungskommission für die Entscheidung über Einwendungen gem. § 26 Abs. 6 Mitarbeitergesetz.
Das Verfahren vor der Schlichtungskommission ist abschließend in § 29 Mitarbeitergesetz geregelt. In § 29 Abs. 2 Satz 3 ist bestimmt, dass die Schlichtungskommission beschlussfähig ist, wenn mindestens 7 stimmberechtigte Mitglieder und der Vorsitzende bzw. dessen Stellvertreter anwesend sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Schlichtungskommission nicht beschlussfähig ist, wenn zwei oder mehr ihrer (gesetzlichen) Mitglieder fehlen.
Regelungen über die Beschlussfähigkeit von Gremien dienen vorrangig dem Minderheitenschutz. Durch entsprechende Quoren ist sicherzustellen, dass Mitglieder von Gremien, die an der Beschlussfassung nicht teilnehmen können, nicht durch Zufallsmehrheiten majorisiert werden. Damit ist zugleich ein Instrument geschaffen, um eine Beschlussfassung in der Sache durch Unterlaufen der Beschlussfähigkeit zu verhindern. Wenn dies vermieden werden soll, wird in Verfahrensordnungen oder Satzungen eine Regelung getroffen, nach der im Falle fehlender Beschlussfähigkeit zu einer weiteren Sitzung zu laden ist, in der das Gremium ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen beschlussfähig ist.
Eine solche Regelung ist in § 29 Mitarbeitergesetz nicht enthalten.
Nun ist zu prüfen, ob es sich bei dieser Lücke um eine planwidrige Lücke oder um eine bewusste und gewollte Lücke handelt. Würde es sich um einen planwidrige Lücke handeln, wären im zweiten Schritt zu prüfen, ob und ggf. durch welche Analogie diese Lücke zu schließen wäre.
Zunächst ist aus der Systematik des § 29 Mitarbeitergesetz zu schließen, dass der Gesetzgeber die Mehrheitsverhältnisse und das Verfahren der Beschlussfassung der Schlichtungskommission sorgfältig und umfassend geregelt hat. Dies ist zumindest ein erstes Anzeichen dafür, dass es sich um eine bewusste und gewollte Lücke handelt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Folgen der fehlenden Beschlussfähigkeit mangels hinreichender Besetzung des Gremiums so offenkundig sind, dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, dass er diesen Fall schlicht übersehen hat. Dies gilt insbesondere, weil Regelungen allgemein üblich und bekannt sind, mit denen sichergestellt wird, dass Minderheiten nicht in die Lage versetzt werden, Entscheidungen durch Verhinderung der Beschlussfähigkeit auszuschließen. Es gibt deshalb keine Hinweise darauf, dass es sich vorliegend um eine ungewollte Lücke handelt. Eine Analogiebildung kommt daher nicht in Betracht.
§ 29 Abs. 2 Satz 4 bestimmt, dass Beschlüsse mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Schlichtungskommission gefasst werden. Das bedeutet, dass ein Beschluss zwingend die Zustimmung von wenigstens 5 Mitgliedern erhalten muss. Aus dieser Regelung kann jedoch nicht gefolgert werden, dass mit einer Mehrheit von 5 Mitgliedern ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder der Schlichtungskommission Beschlüsse gefasst werden können. Eine Beschlussfassung ist nur dann zulässig, wenn die Beschlussfähigkeit gegeben ist.
Die Regelung über die erforderliche Mehrheit (hier: absolute Mehrheit der Mitglieder) tritt nicht an die Stelle der Regelung der Beschlussfähigkeit.
In § 29 Abs. 2 Satz 4, zweiter Satzteil ist bestimmt, dass Stimmenthaltung unzulässig ist. Stimmenthaltung ist jedoch nur möglich, wenn ein Mitglied der Schlichtungskommission während der Beschlussfassung anwesend ist. Das Nichterscheinen zur Sitzung der Schlichtungskommission oder der Austritt aus der Schlichtungskommission stellt keine Stimmenthaltung dar. Im Übrigen regelt das Gesetz nicht, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn ein Mitglied der Schlichtungskommission sich gesetzeswidrig der Stimme enthält. Denkbar wäre, dass eine Stimmenthaltung als Ablehnung zu werten ist. Das Verbot der Stimmenthaltung ist jedenfalls nicht geeignet, die Folgen fehlender Beschlussfähigkeit zu beseitigen.
Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass eine Beschlussfassung der Schlichtungskommission nur dann möglich ist, wenn 7 Mitglieder (oder stellvertretende Mitglieder) anwesend sind. Dies ist nicht der Fall, wenn Dienstnehmervertreter der Schlichtungskommission auf Grund eines zuvor erklärten Rücktritts nicht mehr angehören.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Baumann-Czichon
Rechtsanwalt |