Bahnhofsplatz 1
31785 Hameln
Tel.: 05151-950924
E-Mail: gamav@evlka.de

Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen

der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers


Startseite

Über uns

MAV-Adressen

Fortbildungen

Arbeitshilfen

Arbeitsrecht

Arbeitssicherheit

Mitarbeitergruppen
ZVK-Betriebsrente

Archiv

Links

Dürfen diakonische und kirchliche Arbeitgeber vom eigenen Tarifwerk negativ abweichen?

Im Rahmen einer Klage vor dem Arbeitsgericht gegen Änderungskündigungen mit dem Ziel einer drastischen Gehaltsabsenkung bei Mitarbeiter/innen des Friederikenstiftes lässt der zuständige Richter Dr. Kammerer überprüfen, ob eine kirchliche Einrichtung vom 3. Weg (Arbeitsrechtsetzung über Arbeitsrechtliche Kommissionen) abweichen darf, um für eigene Untergliederungen (Tochter GmbH) andere Tarifwerke eigenmächtig anzuwenden.

Wegen der besonderen Bedeutung dieser Fallgestaltung auch für einige Arbeitsbereiche in der hannoverschen Landeskirche, hier der Bericht auf der Homepage unserer Kollegen aus dem Bereich der Diakonie (Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen):

Klinik kürzt Lohn: 32 Klagen (HAZ vom 02.7.04)

Arbeitsgericht verhandelt über Änderungskündigungen im Friederikenstift

32 Reinigungs- und Küchenkräfte sowie Mitarbeiter von "Hol- und Bringediensten" des Friederikenstiftes klagen vorm Arbeitsgericht gegen Lohnkürzungen von bis zu 30 Prozent. Sie wehren sich gegen Änderungskündigungen, nach denen sie seit dem 1. Juli nicht mehr bei der kirchlichen Klinik, sondern bei einer privatrechtlichen "Friederikenstift Dienstleistungs-GmbH" beschäftigt sind. Diese hundertprozentige Tochter des evangelischen Krankenhauses zahlt Löhne, die sich an Tarifen im Reinigungs - sowie Hotel- und Gaststättengewerbe mit Stundenlöhnen von rund acht Euro orientieren. Zuvor lagen die Stundensätze zwischen 9,50 und mehr als zehn Euro. Betroffen sind insgesamt 60 von rund 1400 Mitarbeitern des Friederikenstifts.

Über die Klagen von vier Küchenkräften verhandelte das Gericht gestern unter Vorsitz von Klaus Kammerer: "Hier steht die Glaubwürdigkeit der Kirche auf dem Spiel", sagte der Arbeitsrichter, der deutliche Zweifel am Vorgehen der Stiftsklinik äußerte. Eine Einrichtung, die Mitglied im kirchennahen Diakonischen Werk sei, dürfe ihre Mitarbeiter nicht "nach Belieben" unterschiedlich behandeln. Über die "kirchenrechtliche Grundsatzfrage" entscheiden wolle das Gericht aber erst im Oktober. Zuvor müsse noch die Landeskirche angehört werden. "Ich verliere rund 500 Euro im Monat", schilderte eine 39-jährige Küchenangestellte des Friederikenstifts mit vier kleinen Kindern die Folgen ihrer Änderungskündigung.

Mit Unverständnis reagierte der Friederikenstift-Personalchef auf die Ausführungen Kammerers. Seine Klinik stehe in scharfem Wettbewerb und agiere wie "fast jedes Krankenhaus in Deutschland". Auch ein christliches Haus könne Marktgesetze nicht ignorieren. Um besondere Härten zu vermeiden, habe man bewusst darauf verzichtet, die ausgegliederten Bereiche komplett an Privatfirmen zu geben, sagte er. Langjährige Mitarbeiter blieben so von Lohneinbußen verschont. Tatsächlich ist die Ausgliederung von Klinikdienstleistungen flächendeckend üblich, um Kosten zu sparen. Das Krankenhaus der ebenfalls diakonischen Henriettenstiftung arbeitet zum Beispiel in den Bereichen Reinigung, Küche und "Hol- und Bringedienste" seit fünf Jahren mit Privatfirmen zusammen. An den dortigen zwei Dienstleistungsgesellschaften ist die Stiftung mit 51 Prozent beteiligt. Anders als das Friederikenstift hat die Henriettenstiftung jedoch nach eigenen Angaben einen "sozialverträglichen" Übergang geschaffen: Bisherige Mitarbeiter mussten keine Lohnkürzungen hinnehmen, neue Tarifbedingungen gelten nur für neue Kräfte. bk

<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<

(c) Verlagsgesellschaft Madsack

Der Kommentar

Anette Klausing verdi Gewerkschaftssekretärin im LBZ Niedersachsen/Bremen zuständig für den Bereich Kirchen

Ein diakonisches Krankenhaus gründet eine Tochter GmbH, um die Löhne auf ein niedrigeres Niveau zu senken (Gebäudereinigertarif). Diese Maßnahme wird bei diakonischen und kirchlichen Arbeitgebern immer beliebter, um die Personalkosten zumindest bei bestimmten Personengruppen (meist die eh schon gering Verdienenden) zu senken.

Im vorliegenden Fall hat (ver.di) die Kolleginnen beraten und Rechtschutz gewährt, um gegen die Maßnahme im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vorzugehen. Einige dieser Klagen (insgesamt 39) sind in der 10. Kammer bei dem Arbeitsrichter Herrn Dr. Kammerer gelandet und wurden dort am 1. Juli verhandelt.

Dr. Kammerer stellt nun die grundsätzliche Frage, ob eine kirchliche Einrichtung vom 3. Weg (Arbeitsrechtsetzung über Arbeitsrechtliche Kommissionen) abweichen darf, um für eigene Untergliederungen (Tochter GmbH) andere Tarifwerke eigenmächtig anzuwenden. Die kirchenrechtliche und moralische Legitimität der "Rosinenpickerei" - also die Anwendung kircheneigener Regelungen nach Gutdünken wird von Klaus Kammerer hinterfragt.

Zu Recht - wenn eine kirchliche/diakonische Einrichtung Tarifverträge im Bereich der Reinigung (Labor, Verwaltung, ...) anwenden kann, warum sollte dies nicht im Bereich Pflege, ärztlicher Dienst oder Sozialarbeit der Fall sein? Hier muß sich Kirche fragen lassen, wie sie die Unterscheidung kirchenrechtlich und ethisch begründet.

Wir sind auf die Antwort gespannt!

Zum Anfang