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Soll der Finanznotstand unserer Kirche überwiegend auf dem Rücken der Beschäftigten gelöst werden?

Allen kirchlichen Beschäftigten drohen die Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes und die Einführung der 40 Stunden-Woche!

Während das Land Niedersachsen die Tarifverträge für das Urlaubs- und Weihnachtsgeld und den Arbeitszeittarifvertrag gekündigt hat, geht unsere Landeskirche in ihren Forderungen noch einen Schritt weiter. Im Land Niedersachsen bedeutet dies nämlich, dass die Arbeitsbedingungen der Beamten zwar recht einseitig von Arbeitgeberseite aus bestimmt werden können und durch die Kündigung der Tarifverträge die Beschäftigungsbedingungen der Beamten auch auf neu eingestellte Angestellte und Arbeiter angewendet werden können. Die große Anzahl von Mitarbeitern, welche in einem fortwährenden Arbeitsverhältnis stehen, hat aber über die Nachwirkung der Tarifverträge weiterhin einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld und auf die 38,5 Stunden-Woche. Das Land Niedersachsen hat inzwischen das Urlaubsgeld für Beamte gestrichen und das Weihnachtsgeld für das Jahr 2004 auf 50 % gekürzt. Inzwischen wurde der Grundsatzbeschluss zur vollständigen Streichung im Jahr 2005 gefasst.

Obwohl das Land Niedersachsen faktisch pleite ist und unsere Landeskirche über Rücklagen von etwa 1 ½ Jahreshaushalten verfügt, möchte man bei uns im Rahmen der "Gleichbehandlung aller Mitarbeiter" durchsetzen, dass es schnellstmöglich zur Anwendung des niedersächsischen Beamtenrechts für alle kirchlichen Beschäftigten kommt. Also kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr und 40 Wochenstunden als Berechnungsgrundlage für alle. Für einige Mitarbeitergruppen wie die Kolleginnen in den Kindertagesstätten, bedeutet dies eine Kürzung des Jahreseinkommens um über 10 %. Diesen kann ihre Wochenarbeitszeit nämlich nicht einfach heraufgesetzt werden, da sich die Berechnung der Arbeitszeit auf die Erfordernisse des Kindertagesstättengesetzes bezieht. Eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit würde bei diesen Kolleginnen automatisch eine Änderungskündigung nach sich ziehen. Inhalt: Beibehaltung der alten Arbeitszeit bei verringertem Gehalt.

Für die geforderten Einbußen bietet man den Mitarbeitern im Gegenzug faktisch nichts. Für die nächste Haushaltsplanungsrunde in den Jahren 2009 und 2010 fordert das Landeskirchenamt weitere Personalstellenreduzierungen von 10 %. Im Klartext bedeutet dies: Jeder 10. Mitarbeiter ist von Kündigung bedroht, nachdem man ihm vorher das Gehalt um bis zu 10 % gekürzt hat. Während andere Betriebe in Verhandlungen um Kostenreduzierungen im Gegenzug den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen anbieten, hören wir hier von der Arbeitgeberseite nichts.

Eine erste Entscheidung ist inzwischen gefallen. Nachdem die Arbeitgeberseite in der ADK (Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission) mit ihrem Antrag auf Anwendung des Beamtenrechts in Fragen des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes an den geschlossenen Stimmen der Arbeitnehmerseite gescheitert ist, entschied das erste Schlichtungsverfahren am 6. Oktober 2004 mit den Stimmen der Arbeitgeber und des vorsitzenden Richters: Ab dem 1. Januar 2005 soll für drei Jahre das Beamtenrecht in dieser Frage auch für alle kirchlichen Angestellten und Arbeiter gelten. Der VkM ist über die Art des Zustandekommens stark erbost, immerhin wird die Frage von Urlaubs- und Weihnachtsgeld der Regelungskompetenz des 3. Weges entzogen. Wenn die Arbeitgeber nicht mehr gewillt sind, den von ihnen so gelobten 3. Weg, also die Beteiligung der Mitarbeiterschaft über ihre Verbände an der Entscheidungsfindung, ernsthaft zu betreiben, wirft dies natürlich bei vielen die Frage auf, ob der VkM nicht aus diesem 3. Weg ausscheiden sollte.

Fakt ist, dass die Einnahmen durch die Kirchensteuer in den nächsten Jahren drastisch zurückgehen werden. Dies liegt einerseits an der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Land, der hohen Arbeitslosigkeit, der Umstellung des Steuersystems weg von der direkten Besteuerung hin zur indirekten Besteuerung und den immer noch erheblichen Kirchenaustritten, aber auf Dauer ist ein viel bedeutsamerer Faktor die demografische Entwicklung, die zurückgehende Bevölkerungszahl. Das Landeskirchenamt spricht von einem Fehlbetrag von 500 Mio. € bis zum Jahr 2010. Ob hier nicht ein wenig übertrieben wird, um den Boden für sehr drastische Kürzungen zu ebnen, muss noch überprüft werden. Da man aber auf Dauer nicht mehr Geld ausgeben kann, als man einnimmt, müssen natürlich Einsparungen in nicht unerheblichem Maß erbracht werden. Aber auch Überlegungen, wie die Einnahmenseite positiv beeinflusst werden kann, dürfen nicht außer Acht gelassen werden.

Warum ist man bei der Forderung nach radikalen Gehaltskürzungen bei den Mitarbeitern derartig forsch, dass man sie sogar gegen den Willen der gesamten Arbeitnehmervertreter in der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission über das Schlichtungsverfahren zwangsweise durchsetzen will, während man bei zu fordernden strukturellen Veränderungen, auch auf höheren kirchlichen Ebenen, mehr als zurückhaltend ist. Was ist mit der Zusammenlegung der konföderierten Kirchen zu einer Landeskirche in Niedersachsen? Welche theologischen Vorbehalte gibt es dagegen? Oder sollte es eher um die Pfründe der Postenerhaltung gehen? Für den betroffenen Personenkreis könnten ja generöse Umstellungsbedingungen ausgehandelt werden, ohne dass ein Landesbischof oder ein Beschäftigter der höheren kirchlichen Ämter seine Arbeit verliert.

Wann fällt endlich die unsägliche Pflicht der Pastoren, eine Dienstwohnung zu beziehen (Residenzpflicht). Dies führt in nicht unerheblichem Maß dazu, dass baufällige Pfarrhäuser zu Beträgen von 500000 - 1000000 € renoviert werden. Würden solche Häuser abgestoßen werden und andere, kirchliche Häuser, welche nicht mehr in notwendigem Maß genutzt werden können, vermarktet werden, könnten alleine aus den Zinsgewinnen der erwirtschafteten und eingesparten Gelder zahlreiche Mitarbeiterstellen finanziert werden. Viele Pastoren würden sich gerne in der eigenen Gemeinde ein Haus oder eine Wohnung mieten oder kaufen. Und in Zeiten moderner Kommunikationsformen wäre, wenn gewünscht, auch eine 24stündige Erreichbarkeit sichergestellt. Ein Zimmer in den Gemeinderäumen könnte zusätzlich gestellt werden.

Was ist mit der Anzahl und dem Zuschnitt der Sprengel unserer Landeskirche? Brauchen wir wirklich 8 Sprengel? Wenn ich mir unseren Sprengel Calenberg-Hoya anschaue, könnte ich mir einen Neuzuschnitt mit weniger Sprengeln durchaus gut vorstellen.

Aber auch auf Kirchenkreisebene wird man zu radikal veränderten Strukturen kommen müssen, wenn wir auf Dauer bestehen wollen. In Einzelfällen sollte es möglich sein, Gemeindehäuser in Kirchen zu integrieren. Gelungene Beispiele dafür gibt es! Überhaupt sollte mit den Immobilien sorgsamer umgegangen werden. Ein umfassendes Immobilienmanagement erscheint mir unumgänglich. Marode Gebäude, die nicht über einen besonderen historischen Wert verfügen, sollten abgestoßen, statt mit horrenden Mitteln restauriert zu werden. Wenig genutzte Gebäude sollten vermarktet werden, wirklich benötigte Häuser sollten optimaler genutzt werden. Die Renditen der erzielten Erlöse könnten gezielt zur Mitarbeiterfinanzierung eingesetzt werden. Der Zuschnitt von Gemeinden und die Gemeindegrößen müssen dringend überdacht werden. Können wir uns auf Dauer Gemeinden mit wenigen hundert Gemeindegliedern und eigenen Kirchenvorständen leisten?

Daneben muss natürlich auch über die Möglichkeit der Einnahmensteigerung intensiv nachgedacht werden. Dies geschieht heute schon in Bereichen des Sponsorings. Viel zu wenig wird allerdings darüber nachgedacht, die Gruppe der Kirchenmitglieder stärker für die Finanzierung unserer Kirche zu gewinnen, welche augenblicklich keine Kirchensteuer zahlt. Insbesondere im Auge habe ich dabei die Gruppe der Ruheständler mit einer komfortablen Rente, welche im Augenblick noch recht groß ist.

Die Liste ließe sich noch um viele Punkte fortsetzen, mir kommt es darauf an, die Diskussion auch in der Mitarbeiterschaft anzuregen. Denn eines ist klar: Wenn versucht wird, die zukünftige Finanznot unserer Kirche nur auf dem Rücken der Beschäftigten zu lösen, sieht die Zukunft düster aus. Wie sollen schlecht bezahlte, von Kündigung bedrohte, frustrierte und demotivierte Mitarbeiter Gottes Wort glaubhaft in Wort und Tat bezeugen?

Siegfried Wulf

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