Bahnhofsplatz 1
31785 Hameln
Tel.: 05151-950924
E-Mail: gamav@evlka.de

Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen

der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers


Startseite

Über uns

MAV-Adressen

Fortbildungen

Arbeitshilfen

Arbeitsrecht

Arbeitssicherheit

Mitarbeitergruppen
ZVK-Betriebsrente

Archiv

Links

Kündigung der Zuwendungs- und Urlaubsgeldtarifverträge/ Auswirkungen auf kirchliche Beschäftigte

Die Zuwendungs- und Urlaubsgeldtarifverträge im öffentlichen Dienst sind durch den Bund und die Tarifgemeinschaft der Länder zum 30. Juni 2003 (Weihnachtsgeld) und zum 31. Juli 2003 (Urlaubsgeld) gekündigt worden. Diese Tarifverträge gelten allerdings für alle privatrechtlich Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die bereits vor dem 1. Juli bzw. vor dem 1. August 2003 in einem Dienstverhältnis standen, solange weiter, bis eine neue tarifliche Regelung getroffen wird.

Dies ergibt sich aus einer Nachwirkungsfrist, die im Tarifvertragsgesetz im § 4 Abs. 5 geregelt ist. Dort heißt es:

TVG § 4 Wirkung der Rechtsnormen

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Anders bei später eingestellten Mitarbeiter/innen bzw. befristet Beschäftigten, deren Vertragsverlängerung nach den genannten Terminen liegt. Für diesen Personenkreis besteht kein Rechtsanspruch mehr auf Weihnachtsgeld ab 2003 und Urlaubsgeld ab 2004. Hier kann der Arbeitgeber einzelvertraglich Regelungen treffen, die bis zur vollständigen Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehen.

Im öffentlichen Dienst wird augenblicklich zwar nicht die vollständige Streichung der Zuwendungen angepeilt, es läuft aber auf eine drastische Reduzierung der Zuwendung und Streichung des Urlaubsgeldes hinaus. Das Land Niedersachsen hat beschlossen, bis zu einer tarifvertraglichen Neuregelung die beamtenrechtlichen Bestimmungen auch auf alle anderen Beschäftigten anzuwenden. Das Land Niedersachsen zahlt seinen Beamten in diesem Jahr noch eine Zuwendung von 70 %, im nächsten Jahr sind noch 50 % Weihnachtsgeld vorgesehen. Das Urlaubsgeld wurde für Beamte vollständig gestrichen.

Die Gewerkschaft ver.di hat bisher noch keinen Verhandlungswillen für einen veränderten Tarifvertrag erkennen lassen und brandmarkt den Beschluss der öffentlichen Arbeitgeber als unsozial.

Hier der Wortlaut des Beschlusses der Gewerkschaft ver.di und der TdL:

Am 17. Juni hat die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) in ihrer Mitgliederversammlung in Hannover die Kündigung der Zuwendungs- und Urlaubsgeldtarifverträge beschlossen. Sie will kurzfristig in Verhandlungen über regionale Öffnungsklauseln einsteigen, um - ähnlich wie im Bereich der Beamt/innen - Absenkungen auch im Bereich der Arbeiter/innen und Angestellten vornehmen zu können.

Vorausgegangen war bereits in der letzten Sitzung der TdL die Entscheidung, mit Bund und den kommunalen Arbeitgebern nur noch "situativ" zusammenzuarbeiten und die Tarifgemeinschaft aufzulösen. Damit haben sie mindestens in vier Punkten den Boden der Potsdamer Tarifeinigung und der dort abgeschlossenen Prozessvereinbarung verlassen:

Das Verhalten der Länder steht der Erklärung in der Prozessvereinbarung entgegen, "den öffentlichen Tarifverbund zu erhalten",

es widerspricht dem gemeinsamen Ziel der Abkoppelung vom Beamtenrecht,

es widerspricht der Vereinbarung, dass alle Regelungstatbestände unter einem Gesamteinigungsvorbehalt stehen und

es widerspricht der Vereinbarung über das Einfrieren der Zuwendung bis zum 31.01.2005.

Es ist davon auszugehen, dass die Kündigung der Zuwendungstarifverträge zum 30.6.2003, der Urlaubsgeldtarifverträge zum 31. Juli 2003 erfolgen wird. Damit ist im Bereich des Urlaubsgeldes in diesem Jahr keine konkrete Auswirkung zu erwarten, da dies bereits im Monat Juli - also vor der Kündigungswirkung - zur Auszahlung gelangt.

Anders sieht die Rechtslage bei der Zuwendung aus. Durch die Kündigung der Tarifverträge tritt bis zur Änderung des Tarifvertrages die Nachwirkung gem. § 4, Abs. 5 Tarifvertragsgesetz ein.

Dies bedeutet, dass die am 30. Juni tarifgebundenden Arbeitnehmer/innen (Mitglieder von ver.di) trotz Kündigung der Tarifverträge weiterhin einen Anspruch auf die im Tarifvertrag festgelegte Zuwendung haben, wenn ihr Arbeitsverhältnis nahtlos fortbesteht.

Für nach dem 30. Juni Eingestellte können andere Regelungen einzelvertraglich vereinbart werden; ein Rechtsanspruch auf eine Zuwendung besteht für diese Beschäftigtengruppe - gleich ob ver.di-Mitglied oder nicht - nicht. Gleiches gilt für das Urlaubsgeld des/der kommenden Jahre/s für nach dem 31.7.2003 Eingestellte.

Anlage 1:

Beschluss der Mitgliederversammlung der TdL vom 17. Juni 2003

1. Die Zuwendungs- und Urlaubsgeldtarifverträge werden jeweils zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt.

2. Die Gewerkschaften werden aufgefordert, kurzfristig in Verhandlungen über Öffnungsklauseln einzutreten, die es den Ländern ermöglichen, vergleichbare Regelungen für ihre Beschäftigtengruppen herbeizuführen; dies bedingt vorläufig nicht die Herausnahme dieser Verhandlungen aus dem Neugestaltungsprozess und steht einer späteren generellen Umgestaltung der Jahreseinmalzahlungen in diesem Prozess nicht entgegen.

Auswirkung der Veränderungen auf kirchliche Beschäftigte

Für kirchliche Arbeiter/innen und Angestellte, die sich schon vor dem 01.07.2003 bzw. dem 01.08.2003 in einem noch fortbestehenden Arbeitsverhältnis befanden, gilt gleiches wie im öffentlichen Dienst. Aufgrund der Nachwirkungsfrist bekommen sie auch weiterhin Urlaubs- und Weihnachtsgeld bis zu einer tariflichen Neuregelung bzw. einer anderweitigen Regelung durch die Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission (ADK).

Anders bei nach den genannten Zeitpunkten neu eingestellten Mitarbeiter/innen bzw. vorgenommenen Verlängerungen befristeter Verträge. Laut Dienstvertragsordnung (DVO) § 2 gelten für alle kirchlichen Beschäftigten neben den entsprechenden Tarifverträgen die im Land Niedersachsen geltenden zusätzlichen Regelungen, wenn die DVO nicht etwas anderes bestimmt. Hieraus schloss das Landeskirchenamt in Hannover laut kirchlichem Amtsblatt Nr. 8/2003 S. 92, das auch kirchlichen Beschäftigten bei Neueinstellungen kein tarifvertragliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr zustehen würde, sondern die beamtenrechtlichen Vorschriften auf diesen Personenkreis anzuwenden seien.

Leider wurde übersehen, dass § 27 Mitarbeitergesetz vorsieht, dass Änderungen solcher im Land Niedersachsen geltender Bestimmungen für die Konföderation und für die beteiligten Kirchen nur wirksam werden, wenn keine Verhandlung in der ADK beantragt wird. Inzwischen hat der Verband kirchlicher Mitarbeiter (VkM) zu diesem Themenkomplex Verhandlungen beantragt. Damit ist eine Schlechterstellung neu eingestellter Kräfte beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld augenblicklich nicht möglich. Dies musste auch das Landeskirchenamt einsehen und ruderte in einem Rundschreiben an die Personalabteilungen vom 18.08.03 schnellstens wieder zurück.

Nach augenblicklicher Rechtslage haben also auch neu eingestellte kirchliche Beschäftigte weiterhin einen Rechtsanspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Allerdings stehen nun Verhandlungen in der ADK an. Es bleibt abzuwarten, ob der VkM die Stärke besitzt, einen Wegfall von tarifvertraglich geregelter Zuwendung und Urlaubsgeld für neue Mitarbeiter/innen zu verhindern oder ob die Arbeitgeberseite eventuell sogar versucht, Kürzungen auch für alle anderen Arbeitnehmer durchzusetzen.

Siegfried Wulf

Zum Anfang